Elegien / Elegie
18,00 € / SFr 27,00
BESTELLEN
Jiří Orten
Elegien / Elegie
122 S.
Paperback
September 2011
sofort lieferbar
ISBN 978-3-938375-43-3
Drucken
Tschechisch/Deutsch.

Übertragen und herausgegeben von Peter Demetz

Ein junger Mann will Zigaretten kaufen, aber die Trafik hat noch zu, er schlendert über die Straße zu einem Mädchen, das auf ihn wartet, da öffnet der Laden mit Getöse, der Mann, jetzt auf der Straßenmitte, will zurückhasten ... und ein Auto prallt auf ihn, schleift ihn mit, er verliert das Bewußtsein und erlangt es nie wieder. Nicht im Krankenhaus, wo er als ein Jude im Prag des Jahres 1941 von Tschechen abgewiesen wird und auch nicht danach im jüdischen Krankenhaus. Ein jüdischer Dichter als Unfallopfer ausgerechnet eines deutschen Rot-Kreuz-Fahrzeugs – und dem so womöglich die Ermordung erspart geblieben ist. Es ist, wenn überhaupt, diese Geschichte über Jiří Orten, die außerhalb seiner tschechischen Heimat im Gedächtnis ist.

In Tschechien dagegen ist sein Name legendär – obwohl er nur so wenige Jahre hatte, in Erscheinung zu treten. Seine erste Buchpublikation fiel dabei fast mit dem Beginn der deutschen Okkupation zusammen, und seine Gedichte erschienen dann überwiegend unter Pseudonym, um den jüdischen Autor zu verschleiern und die Beteiligten zu schützen.

Freunde wie František Halas erkannten früh Ortens Rang, ermöglichten mutig, sein Werk zu drucken, verteidigten ihn auch nach 1945 und 1948 gegen ideologische Vorbehalte, die sich gegen den »bourgeoisen« Dichter mit seiner Innerlichkeit, den existentialistischen Lyriker und in Zeiten eines Antizionismus vielleicht sogar gegen den Juden Orten – eigentlich Ohrenstein – richteten. Für eine Reihe von jungen tschechischen Dichtern nach dem Krieg wurde er dennoch oder gerade deshalb zu einer Inspiration, dichterisch – und wohl auch wegen der repressiven Umstände, unter denen sein Werk reifte und sich behauptete.

Neben berühmten Tagebüchern, in die seine Gedichte aufgenommen sind, hinterließ Orten abgeschlossene Zyklen – darunter die Elegien, die, zwischen Februar und April 1941 entstanden, zum dichterischen Nachlaß wurden. Neun Elegien spiegeln eine Welt des Liebesverlustes, der Vereinsamung und des Ausgestoßenseins (als Jude), Todesahnung, Erinnerungen an glückliche Tage, Traumsequenzen. Eine beziehungsreiche, formal strenge Dichtung, die auf den großen tschechischen Romantiker Machá verweist und die üwohl auch auf die Einlassung mit Prager deutscher Literatur zurückgeht.

Peter Demetz, der dem besonderen Verhältnis zu Rilke und dessen »Duineser Elegien« einen Essay gewidmet hat, schreibt dazu: »Ich möchte [Ihnen] nicht eine vorgefaßte Meinung über Ortens Verhältnis zu Rilke aufzwingen. Vieles, das gesagt werden darf, ist Fragment, Mutmaßung und Spekulation. In unserem Zeitalter eines ungebrochenen Nationalismus ... staune ich immer wieder über die merkwürdige Selbstverständlichkeit, mit der sich ein tschechischer Dichter, der jüdischer Herkunft war, von der Poesie Rilkes angezogen fühlte, und ihn, mitten im Zeitalter der Wehrmachtsokkupation, im Verein mit anderen Autoren deutscher Zunge zu zitieren fortfuhr.« Demetz, nach glücklich überstandener eigener Bedrohung unter den Deutschen 1948 vor den Stalinisten geflohen, schließt: »Ich habe mich deshalb entschlossen, Ortens Elegien ins Deutsche zu übersetzen, oder in ihrer Übersetzung fortzufahren (denn seine Gedichte waren die ersten, die ich nach meiner Flucht übersetzte und publizierte), weil ich die Möglichkeit nicht ungenutzt verstreichen lassen möchte, sie auch den Lesern Rilkes zugänglich zu machen.«

Eine Ankündigung, die Peter Demetz mit dieser ersten vollständigen Übertragung einlöst: Zum 70. Todestag des Dichters Jiří Orten am 1. September 1941 kann eins seiner Hauptwerke endlich gelesen werden, im tschechischen Original und in der Übertragung von Peter Demetz.