Der blaue KofferEin Werdegang. |
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Ein Werdegang.
600 S. / Hardcover
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Januar 2023 sofort lieferbar ISBN 978-3-96587-042-0 |
Aus dem Nachlaß herausgegeben. Nachwort von Alban Nikolai Herbst»Gerd-Peter Eigners nachgelassener Roman Der Blaue Koffer«, so bemerkt es der Freund und Autor Alban Nikolai Herbst in seinem Nachwort, »endet, wo sein fiktives Werk beginnt. Die Gattung ließe sich, deshalb auch der Untertitel Ein Werdegang, ›Entwicklungsroman‹ nennen, wäre er nicht derart nah an des Autors tatsächlichem Leben geschrieben …« Und was für ein Leben. Und was für ein epochaler Text, der verdiente unter die großen Beschreibungen einer ganzen Ära gereiht zu werden – neben Uwe Johnson, Walter Kempowski und die wenigen anderen. Ein unverhofftes Geschenk eines Unangepaßten an die deutsche Literatur. Die Epoche, das sind die gar sehr bewegten bundesdeutschen Jahre von 1945 bis 1976. Der Schauplatz ist norddeutsch, Wilhelmshaven: Hafen, Bunker, Besatzungssoldaten, Kneipen. Die Schönheiten in der Tristesse, die geheimen Verstecke, die Nähe und Weite der See. Hier ist die Heimat des Jungen, um den sich alles dreht. Und ist es doch nicht, denn er ist heimatvertrieben. Er ist um den Vater gebracht, und eines Tages kommt diese Geschichte ans Licht, als das Fragen nach dem, der ihm fehlt, immer bohrender wird. So holt die dramatische Fluchtgeschichte aus Schlesien die Mutter wieder ein, die sich entscheidet, ihre innere Not nicht länger nur für sich zu behalten, sondern zu teilen. Dem werdenden Mann den ermordeten Vater wiederzugeben im Gedenken. Der da um sie lebt, Walter, ist nur »Onkel«, hat den Platz des toten Vaters eingenommen. Mit der Mutter gemeinsam richtet der Mann sich ein, eine versehrte Erwachsenengeneration im Käfig enger Moral, nur unter Alkohol zotig und enthemmt. Wie anders das, was der Junge mit Mädchen entdeckt, noch zaghaft, überrascht, überrumpelt. Mit pochenden Herzen und ersten Küssen. Dem Zuhause entwächst der Junge, fehl am Platze, wie auch in der Schule. Anderswo findet er neue Freunde und entdeckt erst das Turmspringen und Boxen, dann die Geige und den Jazz. Und das Theater und dort Freunde, die auf mehr aus sind, als nur die neuen Stücke mit ihm zu teilen. Bald durchstreift er die Reeperbahn, und seine Blue Jeans aus St. Pauli werden in Wilhelmshaven zum Skandal. Aber hier begegnet er ersten Autoren: Hans Henny Jahnn, Uwe Johnson, der schnell verschmähte Böll lesen vor Ort, Dostojewski, Hemingway trifft er in ihren Büchern. Als er per Anhalter Frankreich kennenlernt und eine Französin, ist bald kein Halten mehr. Er wagt den Aufstand, pfeift auf die Schule, taucht ab ins Paris des Algerienkriegs – und kommt als Mann zurück in ein Deutschland, dem er entwachsen ist. Findet kurz in einen kuriosen Beruf und türmt nach Afrika. Am Weltgeschehen nimmt er wach teil seit Stalins Tod, ihn bewegendie Kubanische Revolution, der Tag, an dem Floyd Patterson k.o. ging, die Nacht in der er mit Richard Wright in einer Pariser Bar Kennedys Wahlsieg bejubelt, erste Schritte in den Weltraum und neue Antisemiten. Mehr und mehr verbinden sich die Chronik der Ereignisse und das eigne Erleben. Erzählt wird in alledem das eigentlich Entscheidende: das Werden des Mannes – und des jungen Schriftstellers. Die vielen Briefe über Literatur mit seinen engsten Weggefährten, das Anwachsen der Entwürfe, der Gedichte und Skizzen im kostbarsten Geheimort, dem Blauen Koffer. Das gipfelt in einer unglaublichen Geschichte – dem Erscheinen seines ersten Romans, besehen von ihm selbst, dem Autor. Oder doch nicht? »Februar. Kurfürstendamm. Es nieselt. Der Wind pfeift. Er zurrt sich den Schal enger um den Hals. Er läßt kein Buchhandlungsschaufenster aus. Er stößt auf sein Buch. Ja, im Fenster, nicht irgendwo drinnen versteckt. Einmal von vorn. Und einmal von hinten. Hinten ist das Photo drauf, das der Verlag von ihm für das Buch und die Prospekte hat machen lassen. Er bleibt lange vor sich selbst und seinem Werk stehen. Dabei frösteln seine Gedanken weg. Gehen an dem vorbei, was er sieht. »Das bin ich nicht«, denkt er. Und entschließt sich zu denken: ›Das bin nicht ich.‹ Er ist froh, daß er es nicht ist. Noch am selben Abend greift er wieder zu seinem Seesack und reist weiter.« |