Briefe nach Triest
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Briefe nach Triest

ersch. Oktober 2024
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ISBN 978-3-96587-055-0
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A starry snake has kissed me! ruft es mit James Joyce durch den Tommasinipark Triests – und schon sehen ihn die schwarzen Basiliskenaugen der Baumgeistin Nimueh an, den Mann, der an die verlorene Geliebte seines besten Freundes, dem Komponisten Lars M. Ersa, Brief um Brief geschrieben und darin weitere Paare erfunden hat, auch deren Lieben scheitern – bis auf die eines einzigen. Und der sich in der dem Freund verlorenen Frau nun selbst verloren hat, so daß er nach Triest, wo sie lebt, reisen muß, um sie wirklich zu finden. Von der wir aber nicht wissen, denn sie antwortet nie, ob es sie überhaupt gibt – so daß sich das Buch genauso verwandelt, wie es laufend die Personen dieser Geschichte tun – ob es sich nun um Menschen oder Vilen handelt, wie im Friaul Naturgeister heißen. Als überdies einem Hafenbecken an der Mole Audace die Venere di Carsomare, die Venus des Karstmeers, entsteigt, dreht sich das aus Traurigkeit und Trauer begonnene Buch zunehmend in einen Strudel der Lebensbejahung und Schönheit hinein, um am Ende, während über Triest ein mächtiges, das Montagswunder überschwemmendes Unwetter tobt … um am Ende in der berühmten Grotta gigante mit einer wahrhaften Esultanza del mondo auszuklingen, dem Jubel der Welt – ganz so, wie Ersas letzte Komposition heißt.

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Leseprobe

Notwendigerweise wirst Du dich nicht erinnern, aber einige Wochen, nachdem es bei Euch zu den ersten mysteriösen Geschehnissen kam, an denen ich selbst wahrscheinlich nicht unbeteiligt sein werde, wird im Museo Revoltella eine Venere di carsomare ausgestellt werden. Das ist bislang natürlich nur eine Idee. Wäre es aber jetzt schon geschehen, hättet Ihr sie Euch ansehen wollen, Lars und Du, als er zum ersten Mal in Triest war, obwohl Ihr diese Venus erst mit Zandomeneghis Venere di trieste verwechselt hättet, der Brunnenvenus am Rand der Piazza Unita d’Italia. Freilich hättet Ihr dann nicht gewußt, was Ihr bei ihr sollt. Es heißt ja nicht von ungefähr, sie habe, wie ihre quasi Schwester, die Thetisfigur an der Nordseite des Lloydgebäudes, seit dem September 1938 ihre Strahlkraft verloren. So daß Triest einer neuen Liebesgöttin schon seit langem bedurfte, einer zumal, die ein solches Geheimnis wie jene umgebe. Wobei sie, von der Ihr in wahrscheinlich Il Piccolo, Deiner Tageszeitung, gelesen hättet, allerdings einiges Unbehagen ausgelöst habe, eine ganz gewiß irrationale Furcht, die sich dennoch physisch geäußert – nämlich bei nicht wenigen Betrachtern als sozusagen spontane, was Ihr sofort komisch gefunden hättet, Bindehautentzündungen. Insofern konnte die Brunnenvenus eigentlich gar nicht gemeint sein. Doch wäret Ihr eh zu spät von der Grotta gigante zurückgekommen und tags darauf hätte Euch anderes, Intimeres, abgehalten. Danach wär es zu spät gewesen, weil Lars zurück nach Berlin mußte. Dies aber allein als einen Vorgriff erzählt – wie wenn er Erinnerung wäre.

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