Hans Werner Kolben, geboren am 5. Mai 1922 in Aussig an der Elbe, stammte aus einer berühmten böhmischen Industriellenfamilie: Das Familienunternehmen – gegründet vom Erfinder und Edison-Assistenten Emil Kolben, zuletzt unter dem Namen Českomoravská Kolben Daněk (Böhmisch-mährische Kolben- Daněk -Werke) – gehörte mit seiner Produktion von Maschinen, Lokomotiven und anderem wie auch die Pilsner Škoda-Werke oder Bat´a-Schuhe aus Zlín zu den Aushängeschildern der tschechoslowakischen Industrie.
Hans Werner Kolben wuchs in unbeschwerten großbürgerlichen Verhältnissen in seiner assimilierten, protestantischen jüdischen Familie und in einem Prager deutschen kulturellen Umfeld auf. Seiner Leidenschaft für Klassische Musik und Literatur konnte er als regelmäßiger Opern- und Theaterbesucher in seiner Jugend noch ungehindert nachgehen.
Mit der Zerschlagung der Rumpf-Tschechoslowakei durch den deutschen Einmarsch am 15. März 1939 änderte sich das Leben der Familie schlagartig. In dieser Zeit stand Hans Werner Kolben den Kommunisten nahe. Während der Okkupation dichtete er Passagen der Marseillaise nach (Bürger greift zur Wehr,/Und faßt von neuem Mut, /... Es fließt Tyrannenblut!) und erfand satirische Reime auf nationalsozialistische Formeln wie »Heil Hitler« (zu: Drei Liter). In diesen Prager Jahren war Hans Werner Kolben mit dem späteren Germanisten und Autor Peter Demetz befreundet, der zu unserer Publikation Das Schwere wird verschwinden einen Beitrag über seinen Jugendfreund verfaßt hat.
Die Familie Kolben war im »Protektorat«, ungeachtet ihrer Prominenz, zunehmend Repressionen ausgesetzt. Während Hans Werner noch regulär die Schule abschließen konnte, wurde sein Bruder Heinz – als Jude – vom Gymnasium verwiesen.
Hans Werner Kolben wurde im Frühjahr 1942 aufgrund einer Denunziation durch einen früheren Mitschüler mit Verbindungen zur SS wegen des Nicht-Tragens des gelben »Judensterns« in der Straßenbahn verhaftet und am 10. August nach Theresienstadt deportiert. Dorthin wurden auch sein Bruder und weitere Angehörige, darunter seine Mutter, verschleppt. Sie überlebte, da sie als Bakteriologin benötigt wurde – nicht zuletzt aufgrund von Befürchtungen des Wachpersonals, sich bei den Häftlingen mit Krankheiten zu infizieren. Hans Werner Kolben, der bereits in Prag begonnen hatte, zu schreiben, setzte das in Theresienstadt fort; von seinem schmalen Werk konnte seine Mutter eine Reihe von Gedichten retten.
Hans Werner Kolben wurde am 28. September 1944 nach Auschwitz deportiert. Im Februar 1945 starb er im KZ Kaufering/Oberbayern, einem der verzweigten Nebenlager von Dachau, an Flecktyphus. Dort waren die Häftlinge zur Zwangsarbeit an geheimen Rüstungsprojekten eingesetzt und hausten unter entsetzlichen Bedingungen in Erdhütten. Bewußt wurde ihr Tod an den Strapazen in Kauf genommen oder sogar beabsichtigt.
Hans Werner Kolbens vier Jahre jüngerer Bruder Heinz überlebte, weil er sich vor der Auflösung des KZ Auschwitz IV (Blechhammer/ Oberschlesien) vor der SS im Schweinestall unter einem Heuhaufen versteckt hatte, und so dem Todesmarsch der Lagerinsassen entging. Aus Trotz gegen die Behandlung der deutschen Minderheit nach dem Zweiten Weltkrieg legte er Wert darauf, das Land nicht auch zu verlassen. Erst nach der Niederschlagung des »Prager Frühlings« 1968 reiste Heinz Kolben aus der ČSSR nach Deutschland aus. Er lebt seitdem mit seiner Frau in München. Das Coll´Arco-Heft Das Schwere wird verschwinden enthält sehr persönliche Erinnerungen an seinen Bruder Hans Werner.