H(ans) G(ünther) Adler wurde am 2. Juli 1910 in Prag-Karolinenthal (Karlín) geboren. Studium der Musik- und Literaturwissenschaft, Psychologie und Philosophie an der Karls-Universität, Promotion über »Klopstock und die Musik«, 1935. Seit 1925 literarischer Zirkel mit Franz Baermann Steiner, Peter Brömse und Helmut Spiesmayr, 1931 erste Lyrikpublikation (Meer und Gebirge); 1933 als Gaststudent in Berlin Zeuge der Machtübergabe an Hitler; ab 1935 Freundschaft zu Hermann Grab, ab 1936 zu Elias und Veza Canetti; erste Berufsstationen in Prag: in der Volksbildung und mit Beiträgen zum deutschsprachigen Rundfunk.

Nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht als Jude bedroht und Zwangsmaßnahmen unterworfen. 1941 Heirat mit der Ärztin Gertrud Klepetar. Mit ihr und ihren Eltern wurde er am 8. 2. 1942 nach Theresienstadt deportiert. Direkt nach der Ankunft im KZ Auschwitz am 12. 10. 1944 wurde die Familie auseinandergerissen: Gertrud Adler entschied sich, ihre Mutter nicht allein zu lassen; beide wurden anschließend ermordet. H. G. Adlers Eltern waren bereits 1942 in Maly Trostinec (heute Weißrußland) bzw. Chełmno (Polen) umgebracht worden. Während der Zeit in verschiedenen KZ – am 28. 10. 1944 Deportation nach Niederorschel, ein Nebenlager des KZ Buchenwald – setzte H. G. Adler sein Schreiben fort. Es entstanden außer rund 140 Gedichten u. a. Vorarbeiten zu umfangreichen Prosawerken.

Nach der Befreiung am 13. 2. 1945 im Juni zunächst Rückkehr nach Prag, dort, zusammen mit Premyšl Pitter, Einsatz für Waisenkinder, danach Mitarbeit am Wiederaufbau des Jüdischen Museums. Nach Diskriminierungen wegen seiner deutschen Muttersprache, die in der Aberkennung der tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft gipfelten, im Februar 1947 Emigration nach England. 1947 Heiratete in London die Bildhauerin und Vorkriegsbekanntschaft Bettina Gross aus Prag, Geburt des Sohns. In England Fortführung der schriftstellerisch-publizistischen Tätigkeit. 1947–1950 Dichterkreis mit Erich Fried, F. Baermann Steiner, H. W. Cohn, Georg Rapp, Hans Eichner. Freundschaften mit Ilse Aichinger, Franz Wurm, u. a.

In den folgenden drei Jahrzehnten zahlreiche Veröffentlichungen: grundlegende Analysen vor allem der nationalsozialistischen Herrschaft und ihres Terrors: Theresienstadt 1941–1945. Das Antlitz einer Zwangsgemeinschaft (1955, erweitert 1960), Die verheimlichte Wahrheit. Theresienstädter Dokumente (1958), Die Juden in Deutschland. Von der Aufklärung bis zum Nationalsozialismus (1960), Der verwaltete Mensch. Studien zur Deportation der Juden aus Deutschland (1974); (weitere) soziologisch-philosophische Werke: Die Erfahrung der Ohnmacht (1964), Die Freiheit des Menschen (1976), Vorschule für eine Experimentaltheologie (1987); Lyrik: Fenster (1974), Viele Jahreszeiten (1975), Spuren und Pfeiler (1978), Blicke (1979); Stimme und Zuruf (1980); Erzählungen und Romane: Unser Georg (1961), Eine Reise (1962), Der Fürst des Segens (1964), Ereignisse (1969), Sodoms Untergang (1965), Panorama (1968), Die unsichtbare Wand (1989)l.

Trotz beeindruckter Kritik, u. a. durch namhafte Fürsprecher wie Heinrich Böll oder Heimito von Doderer, trotz verschiedener Würdigungen wurde H. G. Adler als Schriftsteller zeitlebens keine breite Beachtung zuteil. 1973–1975 war er – als Vorgänger von Hans Keilson und Fritz Beer – Präsident des PEN-Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland. Am 20. August 1988 starb er in London. Posthum wurde er – u. a. dank Jürgen Serke, Franz Hocheneder und Marcel Atze – wieder stärker wahrgenommen. Seine erzählerischen und zeitgeschichtlich-soziologischen Werke erlebten in den vergangenen Jahren eine Reihe von Wiederauflagen; Zusätzliches – so Briefeditionen – wurde jüngst publiziert.

 
H. G. Adler
H. G. Adler
im Arco Verlag